Karriere im Fleischerhandwerk „Quasi mein eigener Chef“

von Andrea Möller
Lena Michaelis von der Metzgerei Neupert in Maintal weiß, was sie will und ist bereit, sich dafür ins Zeug zu legen. Kein Wunder, dass die gelernte Fleischerin bei der Meisterfeier, die im Januar in der Paulskirche über die Bühne ging, die begehrte Urkunde in Empfang nehmen konnte.
Außerdem gehört die 24-Jährige zu den zehn besten Jungmeistern der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main. Eine reife Leistung, zumal es über 250 erfolgreiche Kandidaten gab. 2016 war sie bereits als Jahrgangsbeste aus den Gesellenprüfungen der Kreishandwerkerschaft Hanau hervorgegangen.
Bleibt die Frage, warum sie sich gerade für eine Laufbahn als Metzgerin entschieden hat? „Anfangs wusste ich nicht so recht, womit ich meine Brötchen verdienen sollte. Dann habe ich im Betrieb meiner Eltern ein zweiwöchiges Schülerpraktikum absolviert und gemerkt: Das ist der richtige Job für mich.“ Die Familientradition spielte ebenfalls eine gewisse Rolle für sie.

Die Ausbildung in der Metzgerei Becker in Seligenstadt lieferte die Grundlage für ihre bisherige Karriere. Als Azubi eines industriell ausgerichteten Unternehmens hätte sie vielleicht mehr Geld verdient. Darauf kam es ihr aber nicht an: „Ich wollte lieber in einer Metzgerei wie der meiner Eltern lernen. Bei den Beckers bin ich bald Teil der Familie geworden und habe auch so gearbeitet.
Mein Chef sagte immer, dass er einen Lehrling wie mich nie wieder finde.“ Sie ist überhaupt sehr engagiert und wissbegierig. Und sie kann sich behaupten, was ihr in der Berufsschule einige Male geholfen hat. Denn im Fleischerhandwerk sind Frauen immer noch stark unterbesetzt. „Ich hatte schon mit Vorurteilen zu kämpfen“, erzählt sie. „So musste ich mir anhören, dass Frauen viel zu schwach für den Beruf seien.“ Doch davon dürfe man sich nicht beirren lassen.
In der Metzgerei Neupert, die Vater und Onkel gemeinsam leiten, steht sie seit November 2016 „ihren Mann“. Sie verstärkt zum einen das Team und bringt zum anderen frischen Wind in den Betrieb, testet beispielsweise neue Produkte wie Pastrami. Allerdings läuft sie nicht jedem Trend hinterher: „Seit einiger Zeit wird ja viel Wirbel um spezielle Reifemethoden gemacht. Doch meiner Ansicht nach sind das nur kurzlebige Trends.“ Langfristige Nachfrage prognostiziert sie für fertig zubereitetes Essen im Glas. Denn in einem von Stress und Hektik geprägten Alltag bleibt für Küche und Herd kaum noch Zeit. Da werde es für die Kunden immer interessanter, sich schnell etwas erhitzen zu können, das zudem noch aus guten Produkten bestehe, so Michaelis.

Besonders schade findet sie, dass ihr Beruf als wenig attraktiv gilt, die körperliche Arbeit abschreckt. Sie selbst kommt prima damit zurecht, denn zum Ausgleich trifft sie sich mit Freunden und geht im Sommer gerne schwimmen. Früher war sie passionierte Leistungssportlerin und ist acht- bis zehnmal die Woche gerudert. Dieses Hobby hat sie allerdings für ihren Beruf aufgegeben – und für den Betrieb, den sie eines Tages übernehmen soll.