In-vitro-Fleisch: Die Entscheidung fällt spät...
Gerd Abeln
In-vitro-Fleisch

Die Entscheidung fällt später

Freitag, 19. Mai 2023

FRANKFURT Goldgräberstimmung auf dem Markt für kultiviertes Fleisch.

Am 21. März 2023 schloss die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) ihre Beratungen über die Markteinführung eines zweiten Lebensmittels ab, das aus kultivierten Tierzellen hergestellt wird. Die Behörde bewertete die Informationen, die die Firma Good Meat vorgelegt hatte, und hat derzeit keine weiteren Fragen zur Sicherheit des Produkts. Das Unternehmen wird nun Technologien nutzen, um Hühnern lebende Zellen zu entnehmen und diese in einer kontrollierten Umgebung zu züchten, um daraus wiederum kultiviertes Fleisch herzustellen. Good Meat, eine Sparte des Lebensmitteltechnologieunternehmens Eat Just, hat von der FDA ein „No Questions“-Schreiben erhalten, womit die entscheidende Sicherheitsgenehmigung verbunden ist. Zuerst hatte die Behörde im November letzten Jahres Informationen von „Upside Foods“ bewertet, das Unternehmen stellt ebenfalls Fleisch aus kultivierten Hühnerzellen her.
Die aktuelle, neuerliche Bewertung könnte – nicht nur in den USA – ein Startsignal für andere Unternehmen sein, obwohl (Hühner-)Fleisch aus Zellkulturen seit 2020 bisher nur in Singapur zugelassen ist, ohne jedoch ein nennenswertes Umsatzvolumen zu erreichen. Doch die Zellkultur-Branche in den Staaten ist eine der aktivsten der Welt. Die Unternehmensdatenbank für alternative Proteine des Good Food Institute weist 46 Unternehmen aus, die sich in den USA mit der Herstellung von kultivierten Produkten beschäftigen. Im Vergleich dazu gibt es 15 Unternehmen im israelischen Hub. Ein Schweizer Start-up-Unternehmen für kultiviertes Fleisch, Mirai Foods, hat seinen technologischen Durchbruch bei der Kultivierung von Steaks verkündet. Mosa Meat als langjähriger Spezialist für Zellfleisch und das Tierernährungsunternehmen Nutreco (beide Niederlande) unterzeichneten eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit. Kultiviertes Rindfleisch soll künftig zu wesentlich niedrigeren Kosten produziert werden können.
Insgesamt herrscht auf dem Markt für kultiviertes Fleisch Goldgräberstimmung, und viele Unternehmen wollen sich mögliche Chancen nicht entgehen lassen. Doch die Situation ist sehr kompliziert, kultiviertes Fleisch wird noch einen langen Weg vor sich haben, bis es auf vielen Tellern landet. Was im kleinen Maßstab im Bioreaktor von zehn Litern möglich ist, muss nicht unbedingt mit den für den Massenmarkt erforderlichen Tonnagen funktionieren. Ganz zu schweigen von den Kosten der Nährlösungen, dem Energieverbrauch und den ungelösten Fragen der Entsorgung der Produktionsabfälle. Doch der wichtigste Faktor bleibt der Verbraucher, der von den neuen Produkten überzeugt werden muss. Noch ist nicht klar, wie der Verbraucher auf die schnell wachsende Technologie des „synthetischen Proteins“ reagieren wird, mit der kultiviertes Fleisch erzeugt wird. Er wird die neuen Produkte sicherlich probieren, aber wird er sie auch ein zweites Mal und öfter kaufen? Ob sich einzelne Produkte oder erste Trends als Tops oder Flops entpuppen, zeigt sich meist erst sehr viel später.

Beiträge zum Thema In-vitro-Fleisch, Laborfleisch oder cultivated meat finden Sie hier.

Quelle: Fleischwirtschaft 5/2023



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