FRANKFURT Ein Großteil der Unternehmen der deutschen Fleischwirtschaft sieht angesichts der rasenden Inflation bereits Bremsspuren in der Nachfrage: Dem ersten „Branchenecho Fleischwirtschaft“ zufolge merken 79 Prozent der befragten Unternehmen, dass die Preisorientierung zunimmt.
Die Fleischwirtschaftlichen Fachmedien (afz - allgemeine fleischer zeitung und „Fleischwirtschaft“) der
dfv Mediengruppe haben in Kooperation mit der Managementberatung
Ebner Stolz Unternehmen aus den Top 100 der Fleisch- und Wurstindustrie befragt. Genau 47 Prozent davon haben mehr als 1.500 Mitarbeiter und erzielen einen Umsatz von mehr als 500 Mio. Euro, 53 Prozent der befragten Firmen sind kleiner und erlösen weniger Umsatz. „Die Fleisch- und Wurstbranche ist ein wichtiger Wirtschaftssektor in Deutschland, der allerdings in seiner Bedeutung eine größere Sichtbarkeit erfahren sollte. Daher haben wir gemeinsam das Branchenecho ins Leben gerufen, um den Stellenwert der Branche zu steigern, ihre Entwicklung zu dokumentieren und Leistungsstärke zu zeigen,“ sagt Christian Schnücke, Gesamtverlagsleiter Agrar-, Back- und Fleischmedien bei der dfv Mediengruppe.
Konsum weiter im Sinkflug
Eine im Wandel befindliche internationale Wettbewerbssituation, zunehmend unsichere politische Rahmenbedingungen und ein verändertes Verhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher - das sind die Themen, mit denen sich der Fleischsektor aktuell konfrontiert sieht. 84 Prozent der Unternehmerinnen und Unternehmer erwarten, dass die Nachfrage nach Fleisch und Wurst angesichts der Preissteigerungen weiter zurückgehen wird. Der Großteil rechnet dabei mit einem Minus von fünf bis zehn Prozent, jeder Fünfte sogar über zehn Prozent. In den vergangenen Jahren die Absatzmengen steigern konnten hingegen vor allem die kleineren Unternehmen.
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Gewinner ist der Mittelstand
Insgesamt weisen 37 Prozent der Befragten eine Mengensteigerung im Vergleich zu 2019 auf. 42 Prozent sind mit ihrer Geschäftsentwicklung zufrieden. „Gewinner der letzten zwei Jahre ist der Mittelstand, Verlierer der Marktentwicklung sind vor allem die Großunternehmen mit konzentrierten Standorten“, sagt Klaus-Martin Fischer, Partner bei Ebner Stolz. „Die vormals führenden Unternehmen der Branche leiden jetzt unter dem Mengenschwund. Wo sie vorher die großen Wettbewerbsvorteile in der Kosteneffizienz hatten, erleben die Unternehmen mit hochkonzentrierten Standorten jetzt erhebliche Wettbewerbsnachteile.“ 58 Prozent der Befragten geben an, dass sie nicht zufrieden sind mit der wirtschaftlichen Entwicklung, 42 Prozent weisen einen Mengenrückgang aus. „Ein Grund für den Mengenrückgang liegt bei den wenigen Unternehmen der Branche, die stark auf den Export fixiert waren“, beschreibt Fischer die Ursache. „So sagen auch 32 Prozent der Befragten, dass der internationale Wettbewerb die größte Herausforderung ist.“
Regionalität schlägt Haltungsform
Als stärksten Zukunftstrend betrachten die Befragten das Thema Regionalität (84 Prozent). Mit 68 Prozent landet die Nachfrage von höheren
Tierhaltungsformen hinter der nach preiswerten Produkten (79 Prozent) auf Platz drei. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs und der gestiegenen Inflation könnte sich das allerdings als kurzfristiger Effekt erweisen. Langfristig wird vor allem bei nachhaltigen Verpackungen und Produkten mit erhöhtem
Convenience-Grad ein Schub erwartet. Generell sehen die Studienautoren regionale Wertschöpfungsketten im Kommen. Zwei Drittel der Unternehmen seien aktuell auf der Suche nach Allianzen: 52 Prozent seien offen für vertikale Integration, 16 Prozent für eine horizontale.
Konsolidierung nimmt zu
Was die
Transformation in Richtung Zukunftsfähigkeit betrifft, sehen 58 Prozent der befragten Unternehmen die Branche noch am Beginn des Prozesses, 37 Prozent seien bereits mitten in der Veränderung. Die Konsolidierung wird weiter zunehmen, schätzen die Managementberater und rechnen mit einem zunehmenden Verdrängungswettbewerb um
Schlachthaken und Wurstlinien. Als wichtigste Herausforderung sieht die Branche den massiven Ausbau der
Automatisierung (94 Prozent), da der Personalmangel und die steigenden Personalkosten für 63 Prozent eines der größten Probleme darstellen. Künftig soll das Branchenpanel halbjährlich durchgeführt werden und verlässlich über den Status quo Auskunft geben.