FRANKFURT Laut drittem „Branchenecho Fleischwirtschaft“ lassen sich steigende Kosten nicht adäquat weitergeben.
Die Produktionsmengen der großen Unternehmen der Fleischwirtschaft sind weiter rückläufig. Steigende Überkapazitäten führen dazu, dass inzwischen vermehrt über Werksschließungen nachgedacht wird. Vor diesem Hintergrund drückt der Personalmangel etwas weniger. Skepsis äußerten die Befragten gegenüber dem politisch gewollten Haltungswechsel und einer für sie unrealisischen Bioquote von 30 Prozent. Das halbjährlich erhobene Branchenecho der Fleisch- und Wurstindustrie in Deutschland zeigt große Umwälzungen in der produzierenden Fleischindustrie. In der Befragung der Fleischmedien der dfv Mediengruppe und der Managementberatung Ebner Stolz wurde deutlich, dass die Unternehmer einem starkem Druck des Handels ausgesetzt sind.
„Das
Branchenecho zeigt, insbesondere Fleischverarbeiter haben massiv an Marge verloren“, sagt
Klaus Martin Fischer, Partner der Managementberatung Ebner Stolz. „Während die Verbraucherpreise über alle Segmente stark angestiegen sind, konnte die Industrie ihre gestiegenen Produktionskosten nicht adäquat an den Handel weitergeben.“ Für Christian Schnücke, Gesamtverlagsleiter der Agrar-, Back- und Fleischmedien bei der
dfv Mediengruppe, stellt sich im Branchenecho dennoch heraus, wie die Unternehmer der Krisensituation trotzen: „Vielfalt zahlt sich gerade in diesen Zeiten aus. Ob Handwerk, Mittelstand oder Global Player. So vielfältig wie die Branche ist, so vielfältig stellt sie sich auf und erweitert ihr Angebot.“
Während die mittelständischen Betriebe der Fleischwirtschaft angeben, ihre Produktionsmengen halten zu können, verlieren insbesondere die großen Unternehmen im Bereich Schwein und Rind an Menge. Mehr als zwei Drittel der Unternehmen der Branche haben mit einem geringeren Absatzvolumen zu kämpfen. Im Durchschnitt geben die Befragten an, zehn Prozent weniger Menge abgesetzt zu haben.
Margenverluste gegenüber dem Handel
Doch nicht nur die Mengen gehen den Befragten der Fleischwirtschaft verloren, sondern auch ihre Margen. Ein Großteil der Unternehmen (>75 Prozent) bleibt auf gestiegenen Kosten vollständig oder zum Teil sitzen. Als Grund geben die Unternehmen an, dass der Lebensmitteleinzelhandel die Weitergabe der Kostensteigerungen blockiert. 28 Prozent der befragten Unternehmer geben sogar an, dass bislang keine Anpassung der Preise vorgenommen werden konnte. Trotzdem sind die Verbraucherpreise für Fleisch und Wurst deutlich gestiegen.
Aufgrund der Mengenverluste sind mehr als zwei Drittel der Befragten mit der Auslastung ihrer Werke nicht zufrieden. Zahlreiche Unternehmen haben daher bereits reagiert und ihre Produktion heruntergefahren und Schichten und Produktionstage gestrichen. Sogar Werksschließungen können sich immer mehr Befragte vorstellen (zehn Prozent). Die Aussichten für die nächsten sechs Monate sehen die Unternehmer skeptisch. Rund 40 Prozent gehen von weiteren Umsatzrückgängen in Höhe von durchschnittlich zehn Prozent aus.
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Als weitere Handlungsoption in der Krise sehen 61 Prozent der Unternehmer eine Allianz oder Kooperation als probates Mittel, zu bündeln und sich erfolgreich für die Zukunft aufzustellen. Nur noch knapp jedes vierte Unternehmen beschäftigt sich derzeit nicht mit der Möglichkeit einer Zusammenarbeit.
Das Thema
Fachkräftemangel ist weiterhin eine der größten Herausforderungen. Zwar geben noch 57 Prozent der Befragten an, dass ihnen Mitarbeiter fehlen, jedoch sind dies 20 Prozent weniger als vor einem Jahr. Grund für diese Entspannung ist die sinkende Auslastung der Betriebe und der damit verbundene Personalabbau. Wichtigste Zukunftsherausforderung ist für 86 Prozent der Unternehmer die politische Agrarwende. 67 Prozent sehen die anhaltende Inflation und einen weiteren Konsumrückgang als größte Aufgabe für die nächsten zwölf Monate.
Verbraucher greifen zum Preiseinstieg
Aufgrund der hohen Inflation und stark gestiegenen Preise für Fleisch, Fleischwaren und Wurst sehen sich 100 Prozent der Befragten der Forderungen nach preiswerten Produkten ausgesetzt. Preiseinstiegsprodukte wie Mortadella oder Kochschinken werden gegenüber Spezialitäten und aufwendigeren Produkten klar bevorzugt. Daraus folgt auch, dass die Befragten weniger Interesse an anderen Produktkriterien wahrnehmen. So sehen zwar 67 Prozent der Befragten regionale Produkte als wichtig an, das sind aber zehn Prozent weniger als im Herbst 2022.
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Die aktuelle Preissensibilität führt auch dazu, dass nur noch zehn Prozent der Befragten an den Wechsel der Stallhaltungssysteme glaubt. Gerade einmal jeder Zehnte denkt, dass sich nach den Ankündigungen des Handels die
Haltungsformen 3 und 4 dauerhaft durchsetzen. 95 Prozent rechnen stattdessen damit, dass sich die Nachfrage Richtung Preiseinstiegsprodukten entwickelt.
Diese Skepsis gegenüber Produktanforderungen setzt sich auch bei den Bioprodukten fort. 81 Prozent der Befragten halten das Ziel von Bundeslandwirtschaftsminister
Cem Özdemir, ein Biosegment von bis zu 30 Prozent der Gesamtmenge zu erreichen, für unrealistisch.
Branchenecho Fleischwirtschaft
Das Branchenecho Fleischwirtschaft wird gemeinsam von der dfv Mediengruppe - in der die Fachmedien afz - allgemeine fleischer zeitung und „Fleischwirtschaft“ erscheinen - mit der Managementberatung Ebner Stolz durchgeführt. Befragt werden halbjährlich die 100 umsatzstärksten Unternehmen der Fleischindustrie und Fleischwarenindustrie in Deutschland. Die Onlinebefragung wurde erneut durch die Business Target Group (BTG), einer hundertprozentigen Tochter der Deutscher Fachverlag GmbH, durchgeführt.