Karriere im Fleischerhandwerk: Powerfrau mit ...
Karriere im Fleischerhandwerk

Powerfrau mit Familiensinn

Künne
Liebt die besondere Atmosphäre auf dem Wochenmarkt: Silke Künne.
Liebt die besondere Atmosphäre auf dem Wochenmarkt: Silke Künne.

OSTBEVERN Nach Hotel- und Kochlehre kehrte Silke Künne in den elterlichen Betrieb zurück. Heute führt sie die Landfleischerei Reckermann mit ihrem Mann Thorsten und fährt am liebsten auf den Wochenmarkt.

Ihr Mann Thorsten charakterisiert sie stolz als „Powerfrau“. Und das aus gutem Grund: Silke Künne aus Ostbevern ist nicht nur Mutter von vier Kindern. Sie führt auch gemeinsam mit ihrem Ehemann die elterliche Landfleischerei Reckermann in der 10.000-Einwohner-Gemeinde im Landkreis Warendorf.


„Es war zwar geplant, dass mein Bruder Uwe als Fleischermeister Betriebsnachfolger wird. Er musste aus gesundheitlichen Gründen kürzertreten, arbeitet aber nach wie vor bei uns mit“, berichtet Silke Künne. „Da beschlossen mein Mann und ich, dass wir auf jeden Fall weitermachen – weil es ein gut laufender Betrieb ist und einfach Spaß macht.“ 2022 übernahmen die Künnes das vor 36 Jahren von Otto und Gabriele Reckermann gegründete Fachgeschäft.

Wohlüberlegte Entscheidung

Die 40-Jährige bringt dafür die nötigen Kenntnisse mit: Sie hatte sich nach der Fachoberschulreife im Jahr 1999 zunächst als Hotelfachfrau ausbilden lassen. Nach drei Jahren Lehre im Hotel „Mersbäumer“ in Ostbevern schloss sie eine zweijährige Ausbildung zur Köchin im Gasthaus „Plocksaugust“ in Glandorf an. Die Entscheidung, die Kochlehre anzuhängen, war wohlüberlegt: „Ich hatte vor, in den elterlichen Betrieb zurückzukommen und unser Sortiment an Fertiggerichten weiter auszubauen“, verrät Künne. 2005 beendete sie die Ausbildung, kehrte zurück und zählt auf, welche Speisenvielfalt heute bei Reckermann in Weckgläsern erhältlich ist: Möhrentopf, Hühnerfrikassee Rinderrouladen, Zwiebelfleisch, Sauerbraten, Schweinebäckchen, Hühner-, Rindfleisch-, Gyros- und Gulaschsuppe sowie Erbsen- oder Grünkohleintopf. Stolz ist Silke Künne auf den hohen Anteil selbst produzierter Artikel, allen voran den Westfälischen Knochenschinken. 95 Prozent der Fleischwaren stammen aus der eigenen Wurstküche.

Angeboten werden die Produkte im Laden, der nur freitags und samstags geöffnet hat, sowie im mobilen Verkauf. Damit macht das Familienunternehmen seinen Hauptumsatz. „Mit Doppelmärkten fahren wir mit vier Fahrzeugen rund 25 Standorte an – in Münster, Lengerich, Warendorf, Ladbergen sowie Beckum, das am weitesten entfernt ist“, so Künne. Die besondere Atmosphäre auf dem Wochenmarkt und den engen Kontakt zu den Kunden findet sie „unbeschreiblich schön“ und ergänzt: „Es ist toll, zu sehen, was das Fleischerhandwerk alles herstellen kann.“ Zu viel Zeit, die man für andere Dinge nutzen könnte, fressen ihrer Meinung nach Bürokratie und Auflagen, die die kleinen Handwerksbetriebe erfüllen müssen. Obwohl die Künnes eine Bürokraft beschäftigen, bleibt an der Chefin und ihrem Mann noch vieles hängen. Thorsten Künne, ein gelernter Groß- und Einzelhandelskaufmann ist übrigens schon seit 20 Jahren in der Fleischerei tätig. „Er hat in Produktion und Verkauf begonnen und sich nach und nach in die Materie hineingefuchst“, sagt seine Frau. Sie selbst und ihr Bruder Uwe waren schon von klein auf im Geschäft mit dabei, fuhren mit auf die Märkte und halfen mit – immer ohne Zwang oder Druck durch die Eltern. Diese haben sich in den vergangenen beiden Jahren zurückgezogen, genießen ihre Rente, helfen aber gern mit, wenn Not am Mann ist oder die jungen Leute in Urlaub sind. Denn die Märkte werden das ganze Jahr über nonstop beschickt.

Meisterprüfung geplant

Die vier Kinder – Constantin (15), Jannick (12) sowie die neunjährigen Zwillinge Carolin und Finn fordern zwar immer noch reichlich Aufmerksamkeit ein. Dennoch möchte Silke Künne ihre Karriere weiter vorantreiben: „Ich habe vor, irgendwann noch die Meisterprüfung abzulegen.“ Mit ihren beiden abgeschlossenen Ausbildungen und der langjährigen Berufserfahrung dürfte das klappen. Zunächst einmal erweitert sie ihre Expertise im Februar durch einen Fleischsommelier-Kurs an der Fleischer-Fachschule Heyne im südhessischen Weiterstadt auf dem Rhein-Main-Campus der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main. „Davon verspreche ich mir größeres Wissen über Fleisch-, Fleischqualitäten und noch bessere Kenntnisse in der Beratungstechnik.“

In der Landfleischerei sind derzeit 20 Mitarbeitende beschäftigt, davon sind fünf in der Produktion und die übrigen im Verkauf tätig. Durch einen glücklichen Zufall kam vor einigen Jahren ein junger Mann aus Indien zu Silke und Thorsten Künne. Während der Corona-Pandemie musste er seinen Job in einer Hotelküche aufgeben, fing bei der Fleischerei an. Nach wenigen Wochen gefiel ihm die Arbeit so gut, dass er einen Lehrvertrag unterschrieb. Die Ausbildung sollte – wie üblich – drei Jahre dauern. Doch durch seine große Wissbegierde und sein Engagement verkürzte er um ein halbes Jahr und legt im Februar seine praktische Gesellenprüfung ab. „Es waren unzählige Behördengänge notwendig, bis er überhaupt bei uns anfangen konnte“, sagt Silke Künne. Aber der Aufwand hat sich gelohnt, denn der frischgebackene Geselle will im Betrieb bleiben.

Junge Leute begeistern

Die junge Chefin macht sich viel Mühe, um junge Leute für die Berufe im Fleischerhandwerk zu begeistern. Sie und ihr Mann stellen regelmäßig in den örtlichen Schulen bei Berufsorientierungstagen einen Vormittag lang die Tätigkeiten vor. Beide beobachten: „Wenn wir verständlich erklären, was Fleischer oder Verkäuferin machen, welche Weiterbildungsmöglichkeiten es gibt und wie nachhaltig wir arbeiten, werden die Schülerinnen und Schüler rasch neugierig. Und ab und zu staunen sogar die Lehrer.“ Auch diese Mühen führen oft zum Erfolg. Schon etliche Tagespraktikanten bekamen Lust auf mehr Infos und schnupperten in den Betrieb der Künnes hinein.

Gefragt, ob noch Zeit für Hobbys bleibt, antwortet Künne: „Nicht wirklich.“ Die Zeit mit der Familie zählt sie zu ihren liebsten Freizeitbeschäftigungen und schätzt es, dass trotz Selbstständigkeit gemeinsame Urlaube – vorzugsweise an der See – möglich sind. Für den Betrieb wünscht sie sich, dass er so gut weiterläuft wie bisher. Und natürlich wäre es schön, wenn eines der vier Kinder irgendwann einsteigt. Eventuell ist es Constantin, der Älteste. Er verlässt in einem Jahr die Schule und hat bereits ein Berufspraktikum absolviert – in einer Fleischerei.

Quelle: afz - allgemeine fleischer zeitung 6/2023

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