Fleischerhandwerk Politisches Schwergewicht

Während die Republik am Sonntag gespannt in den Süden und auf die Wahlen in Bayern blickte, stand für die Fleischer Hamburg im hohen Norden im Mittelpunkt des Geschehens. Dort trafen sich Obermeister und Verbandsvertreter zum jährlichen Verbandstag.
Mit dem Festredner Hans-Joachim Fuchtel, Staatssekretär im Bundesernährungsministerium, stand zur Matinee am Sonntagmorgen vor allem die Zusammenarbeit mit der neuen Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) im Mittelpunkt. Diese ist in den Augen von Präsident Herbert Dohrmann vom Deutschen Fleischer-Verband (DFV) auch bestens angelaufen: konstruktiv und zielführend.
Ein bedeutsames gemeinsames Thema ist die geplante Reduktionsstrategie für Fett, Salz und Zucker in Fertiggerichten, wie sie der Koalitionsvertrag vorsieht. Als erfreulich wertete Dohrmann in seiner Eröffnungsrede in Hamburg, dass dabei ausdrücklich die Belange des Lebensmittelhandwerks berücksichtigt werden sollen. Der DFV bringt sich in dieser Sache innerhalb der AG Lebensmittelhandwerk ein. Und diese Lobbyarbeit zeige Erfolg, bemerkte Dohrmann nicht ohne Stolz. Er sieht die Fleischer in der Pflicht, bei der Initiative für gesündere Lebensmittel konstruktiv mitzuarbeiten. Denn mitgestalten sei immer besser als abwarten. Außerdem biete das die Möglichkeit, sich als innovatives und verantwortlich handelndes Handwerk zu zeigen.
Nicht übers Ziel hinaus
In Sachen Tierschutz begrüßt das Fleischerhandwerk jeden Fortschritt, machte der DFV-Präsident vor den rund 300 Gästen aus dem Fleischerhandwerk und angrenzenden Bereichen klar. „Wir müssen aber gemeinsam achtsam bleiben, dass wir nicht über das Ziel hinausschießen.“ Wenn die Regeln in Deutschland so hoch geschraubt würden, dass sich Tierhaltung nicht mehr lohnt, werde diese im Ausland stattfinden, wo sie sich besser rechne. Das selbe gelte für die Ferkelkastration. Die Frist für das betäubungslose Vorgehen um zwei Jahre zu verlängern, wertete Deutschlands oberster Fleischer als richtiges Signal. Die Zeit müsse genutzt werden, um den „Vierten Weg“, die Lokalanästhesie durch den Landwirt, gangbar zu machen.Einen Bundespolitiker zu Gast zu haben, nutzte der Fleischerpräsident auch dazu, weitere – unerledigte – Anliegen loszuwerden. Dohrmann monierte insbesondere den Wildwuchs an bürokratischen Auflagen. Jede für sich genommen habe zwar nachvollziehbare Gründe, die Summe des Papierkriegs sei aber inzwischen unerträglich. Erfreulich: Um die ersehnte Entbürokratisierung kümmert sich nun eine eigens geschaffene Stabsstelle im Bundeskanzleramt.
Überzeugte Europäer
Ein tiefes Bedürfnis war dem DFV-Präsident ein Kommentar zur allgemeinen politischen Lage. Jeglichen nationalistischen Tendenzen gelte es entgegenzuwirken. „Wir sind überzeugte Europäer“, stellte Dohrmann klar. Und das nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, „sondern weil es allemal besser ist, internationale Freundschaften zu pflegen anstatt sich wie Jahrhunderte zuvor mit schrecklichen Kriegen zu überziehen“.Mit der Arbeit der GroKo in Berlin zeigte sich Dohrmann alles andere als zufrieden. Ihm komme es vor, als würde „ein Kerngesunder am offenen Herzen operiert, an Blutkonserven dabei nicht gedacht und der Operateur keine Ahnung davon hat, wie das OP-Besteck zu führen ist“.
Hamburg: Deutscher Fleischer-Verbandstag 2018
DFV-Präsident Dohrmann waren die schmeichelnden Worte nicht genug. Zur Sicherung regionaler Strukturen gehöre auch die Stärkung der regionalen Schlachtung. Diese müsse auch morgen noch existieren können.
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