FRANKFURT Die Fleischbranche steht vor enormen Herausforderungen, unter anderem lässt der hohe Preisdruck des Lebensmitteleinzelhandels und das aktuelle Verbot von Werkverträgen weitere Steigerungen bei den Arbeitskosten erwarten. Automatisierungslösungen, die in der Vergangenheit nicht wirtschaftlich genug waren, weil manuelle Arbeit preiswerter und Automatisierung in der Regel kapitalintensiv war, geraten wieder verstärkt in den Fokus der Lebensmittelproduzenten.
Automatisierung ist nach DIN V 19233 definiert als „Das Ausrüsten einer Einrichtung, so dass sie ganz oder teilweise ohne Mitwirkung des Menschen bestimmungsgemäß arbeitet.“
In der Praxis jedoch muss die einzusetzende Automatisierungstechnik vielen weiteren Ansprüchen gerecht werden: Sie soll geringe Investitionskosten verursachen, ein schonendes Produkt-Handling garantieren, aber auch schnelle Durchlaufzeiten und hohe Hygienestandards mit sich bringen und flexibel sein. Form, Farbe und Konsistenz der erzeugten Produkte müssen höchsten Qualitätsansprüchen genügen.
Automatisierungssysteme grenzen sich gegenüber ausschließlich von Menschen geführten Systemen ab, indem sie bei Standardfällen wiederholt oder unter die Gesundheit beeinträchtigenden Bedingungen auszuführende Tätigkeiten ausüben und diese ermüdungsfrei und mit gleichbleibendem Ergebnis erledigen. Deshalb sind in der Fleischwarenindustrie in erster Linie Arbeitsroboter im Gespräch, wenn es um Automatisierung geht.
Die Struktur entscheidet über den Einsatz
Die Auswertung des
DLG-Trendmonitors zum Thema „Robotereinsatz in der Lebensmittelherstellung“ zeigt, dass Roboter heute grundsätzlich – mit Ausnahme von sehr kleinen Betrieben – in nahezu allen Unternehmensgrößen zum Einsatz kommen. Sie kommen vor allem in der Molkereibranche zum Einsatz. In Bereichen mit sehr breiten Portfolios wie Fleisch lässt sich kein klarer Trend hin zum oder weg vom Robotereinsatz erkennen. Es kommt also immer auf die Struktur und die individuelle Ausrichtung eines Fleisch verarbeitenden Unternehmens an, ob sich das Management für den Robotereinsatz entscheidet.
Roboteranlagen können Rauchstäbe präzise im Rauchwagen positionieren und so die Ausbringungsrate deutlich erhöhen.
Mit Abstand am häufigsten werden in den Unternehmen Knickarmroboter (Gelenkarmroboter) eingesetzt, gefolgt von Portalrobotern. Die Häufigkeit des Einsatzes lässt sich mit dem Einsatzspektrum der beiden Roboter erklären. Knickarmroboter werden als Universalroboter aufgrund ihres großen Arbeitsraums und der damit verbundenen hohen Beweglichkeit bezeichnet. Die am häufigsten verwendeten Knickarmroboter haben sechs Achsen.
Flächenportalroboter werden meist zur Maschinenbeschickung z.B. im Slice-Bereich oder zur Palettierung in der Endverpackung eingesetzt. Portalroboter agieren über den Maschinen und beanspruchen nur eine geringe Bodenfläche. Das Portal kann relativ einfach vergrößert werden oder mehrere Roboter können gleichzeitig im Raum agieren. Auch für das Sortieren und Kommissionieren werden Roboter häufig eingesetzt. Bei Arbeiten, die Präzision und Schnelligkeit erfordern, finden Roboter ebenfalls verstärkt Anwendung (z.B. Pick-and-Place-Anwendungen bei der Herstellung von Mehrsorten-Verpackungen). Auf dem Vormarsch sind sie auch bei Reinigungsarbeiten und andere Arbeiten, direkt in der Produktion/ Verarbeitung oder am offenen Produkt.
Dem Fachkräftemangel begegnen
Bei den konkreten Zielen, die Unternehmen mit dem Einsatz von Robotern verbinden, werden „Personaleinsparung (Automatisierung)“ sowie „Erleichterung der Arbeitsbedingungen am Arbeitsplatz“ als Hauptgründe angeführt. Auch „Kosteneinsparung“ wird oft genannt. „Effektivitätsverbesserung“ belegt bei den Nennungen den vierten Platz. Die genannten Ziele der Unternehmen bringen den allgemeinen wirtschaftlichen Druck der Gesamtbranche und den zunehmenden Fachkräftemangel zum Ausdruck.
Neben dem Sprecher des Chaos Computer Clubs, Frank Rieger, warnen auch andere Spezialisten davor, dass durch die beschleunigte Automatisierung vieler Arbeitsbereiche in naher Zukunft immer mehr Menschen ihre Beschäftigung verlieren werden. Darin besteht unter anderem eine Gefahr der Schwächung von Gewerkschaften, die an Mitgliedern verlieren. Rieger plädiert daher für eine Besteuerung von nichtmenschlicher Arbeit, damit durch das Wachstum der Wirtschaft auch der allgemeine Wohlstand wächst und gerecht verteilt wird. Auch die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens könnte laut Rieger eine Lösung für die sozialen Probleme sein, die sich aus der Automatisierung der Arbeitswelt ergeben.
Der DLG-Trendmonitor fragte die Teilnehmer auch, welche Art der Ausbildung die Personen besitzen, die im Unternehmen den Einsatz von Robotern betreuen. Genannt wurden u.a. Diplom- Ingenieur, Elektroniker, Elektriker(-meister), Automatisierungstechniker, Haustechniker(-meister), Mechatroniker, Mechaniker, Wartungs- und Instandhaltungstechniker, Programmierer, Schlosser und Fachkräfte für Lager und Logistik. Es wurde mehrfach bestätigt, dass teilweise einfache Einweisungen und vereinzelt weiterführende Kenntnisse durch die jeweilige Roboterfirma ausreichend sind, die Roboter zu bedienen und damit auch angelerntes Personal mit unterschiedlichen bzw. keinen Abschlüssen eingesetzt wird.
Aus- und Weiterbildung notwendig
Allerdings verneinte knapp die Hälfte der befragten Unternehmen, dass die aktuell bestehenden Aus- und Weiterbildungen ausreichen, um Roboter effektiv in der Lebensmittelherstellung einsetzen zu können. Als Gründe wurden angeführt: Die Ausbildung hält mit der Entwicklung nicht Schritt, es gibt zu wenig Zeit für Weiterbildungen, es gibt zu wenig Anbieter für Anwendungsschulungen, es gibt kaum effektive Weiterbildungen für Kleinunternehmen, Roboterwissen ist nicht Teil der Ausbildung, das Fachpersonal fehlt, die Anforderungen sind sehr komplex, und es sind kaum Informationen vorhanden, was alles möglich ist.