Fachkräftesicherung: Ausbildung in Teilzeit e...
Fachkräftesicherung

Ausbildung in Teilzeit eröffnet Perspektiven

DFV
Eine Ausbildung im Fleischerhandwerk kann auch in Teilzeit absolviert werden.
Eine Ausbildung im Fleischerhandwerk kann auch in Teilzeit absolviert werden.

LIPPSTADT Angesichts des immer größer werdenden Fachkräftemangels könnten sie zur Lösung beitragen: Die Fleischerei Schäfermeier aus Lippstadt macht bereits gute Erfahrungen mit Teilzeit-Azubis.

Die meisten Handwerksbetriebe, insbesondere Metzgereien oder Bäckereien, haben mit Nachwuchssorgen zu kämpfen. Dabei gibt es Interessierte, die gerne eine Lehre machen würden, deren Lebensumstände eine Ausbildung in Vollzeit aber nicht zulassen. Mal müssen die Eltern gepflegt werden, mal lässt eine Behinderung keinen Acht-Stunden-Tag zu oder aber es muss noch genügend Zeit für die Kindererziehung bleiben – so wie bei Nicole Hirsch.

Die 30-Jährige ist Mutter von drei Kindern im Alter von elf, zehn und drei Jahren und arbeitete viele Jahre im Einzelhandel, allerdings ohne Ausbildung. Nach der Geburt des jüngsten Kindes beschloss sie, das nun endlich nachzuholen. Aufgrund ihrer privaten Situation war jedoch von Anfang an klar, dass das nur in Teilzeit gehen würde. Und um ihre Chancen zu erhöhen, startete sie vor fast drei Jahren auf Facebook einen Aufruf: Wer hat eine Teilzeitlehrstelle für sie? Eine Mitarbeiterin der Fleischerei Schäfermeier in Lippstadt wurde auf den Post aufmerksam und stellte den Kontakt zum Personalleiter des Betriebs, Waldemar Schneider, her. Und der bot Nicole Hirsch einen Ausbildungsplatz zur Fleischerei-Fachverkäuferin an – in Teilzeit.

Teilzeit für alle

Die Möglichkeit, mit weniger Wochenstunden eine Lehre zu absolvieren, gibt es schon länger: Seit 2005 ist sie im Berufsbildungsgesetz (BBiG) ausdrücklich vorgesehen, jedoch mussten Ausbildungswillige lange Zeit ein „berechtigtes Interesse“ nachweisen. 2020 wurde diese Hürde mit der Novelle des BBiG allerdings eingerissen und der Personenkreis derer, denen eine Teilzeitausbildung offensteht, somit erheblich erweitert. Auch muss die Ausbildung nicht mehr zwingend mit einer Verkürzung einhergehen: Die Lehrzeit kann auf das Anderthalbfache erhöht werden, bei einer Regelzeit von drei Jahren also etwa auf 4,5 Jahre. Kombinationen von Voll- und Teilzeit sind ebenfalls möglich, beispielsweise wenn Azubis nur vorübergehend mehr Zeit für Dinge außerhalb der Arbeit benötigen. Einen Anspruch auf Teilzeit haben Lehrlinge nicht.

Es gibt zahlreiche Gründe für eine Teilzeitausbildung: Neben der Pflege von Angehörigen oder der Kindererziehung kann das auch der Sprachkurs für Geflüchtete sein, der zeitintensive Leistungssport oder eine Nebentätigkeit. Es muss kein Grund vorliegen – einzige Voraussetzung ist, dass Betrieb und Azubi in spe sich einig sind. Dennoch lauten in Deutschland weniger als 0,5 Prozent der jährlich geschlossenen Lehrverträge auf Teilzeit. Ein Stolperstein sind die Berufsschulen. Denn sie blieben von der Flexibilisierung durch die BBiG-Novelle unberührt, und nur die wenigsten passen ihre Unterrichtszeiten an die Bedürfnisse der Teilzeitazubis an. An den übrigen Berufsschulen besteht weiterhin vollumfängliche Anwesenheitspflicht.
„Oft waren die Azubis viel ehrgeiziger und motivierter.“
Waldemar Schneider, Personalleiter

Unterstützung ist wichtig

Waldemar Schneider betont daher: „Es kommt sehr auf die Partner der Azubis an. Die müssen natürlich gewillt sein, sie zu unterstützen, denn sie brauchen auch Zeit zum Lernen, um sich auf die Prüfungen vorzubereiten.“ Nicole Hirsch besuche ein- bis zweimal wöchentlich die Berufsschule in Paderborn, für die Überbetriebliche Unterweisung (ÜLU) ging es für ein paar Wochen nach Münster. Auf ihren Partner habe sie sich bei der Betreuung der Kinder in dieser Zeit verlassen können.

Bedenken, die junge Mutter auszubilden, hatte Schneider indes nie, denn der fleischerhandwerkliche Betrieb sammelte bereits zuvor gute Erfahrungen mit Teilzeitazubis. „Oft war es so, dass die Auszubildenden viel ehrgeiziger und motivierter sind“, erzählt der Personalleiter. So auch Nicole Hirsch, die mittlerweile kurz vor ihrer Abschlussprüfung steht – und nach Bestehen nicht nur übernommen wird, sondern sogar als stellvertretende Filialleiterin die Karriereleiter weiter nach oben klettern kann.
Auf einen Blick

Auszubildende und Betrieb müssen für die Teilzeit-Ausbildung einen gemeinsamen Antrag bei der Innung stellen; er kann vor der Ausbildung oder währenddessen gestellt werden.

Die Ausbildungszeit kann für die gesamte Dauer oder einzelne Abschnitte um maximal 50 Prozent reduziert werden. Empfohlen wird eine Wochenarbeitszeit von mindestens 25 Stunden, um genügend Inhalte zu vermitteln. Der Ausbildungsplan muss seitens des Betriebs entsprechend angepasst werden.

Die Ausbildungsdauer wird maximal auf das 1,5-Fache verlängert. Eine Verkürzung der Ausbildungsdauer ist möglich, wenn das Ausbildungsziel dennoch erreichbar ist.

Berufsschulzeiten können nur in Absprache mit der Bildungseinrichtung verkürzt werden. Ein Anspruch besteht nicht.

Es muss eine angemessene Ausbildungsvergütung gezahlt werden. Diese kann entsprechend der Wochenstunden geringer ausfallen; in vielen Fällen wird jedoch eine ungekürzte Vergütung vereinbart.

Mehr Informationen

Das Bundesinstitut für Berufsbildung (www.bibb.de), das Bundesministerium für Bildung und Forschung (www.jobstarter.de), die Agentur für Arbeit sowie die Innungen und Kammern bieten Interessierten Beratungs- und Fördermöglichkeiten.

Quelle: afz - allgemeine fleischer zeitung 4/2023

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