Förderpreis der Fleischwirtschaft: Lebensthem...
Förderpreis der Fleischwirtschaft

Lebensthema Tierwohl

Samuel Buscapé
Von afz und „Fleischwirtschaft“ 2021 mit dem „Förderpreis der Fleischwirtschaft“ in der Kategorie "Wissenschaft" ausgezeichnet: Rebecca Derstappen.
Von afz und „Fleischwirtschaft“ 2021 mit dem „Förderpreis der Fleischwirtschaft“ in der Kategorie "Wissenschaft" ausgezeichnet: Rebecca Derstappen.

BRAUNSCHWEIG Rebecca Derstappen untersucht in ihrer Promotion die Export-Chancen von in Deutschland und unter höheren Tierwohlstandards erzeugtem Schweinefleisch.

In Deutschland wird deutlich mehr Schweinefleisch produziert, als im Inland konsumiert wird. Logische Folge: Der Export spielt eine bedeutende Rolle. Große Mengen Schweinefleisch werden von den deutschen Produzenten in alle Welt verkauft. Allerdings handelt es sich dabei fast ausschließlich um konventionell produzierte Ware. Wie aber sieht es aus mit Fleisch, das unter deutlich strengeren Tierwohl-Bedingungen hergestellt wird? Gäbe es für solche Produkte, die zwangsläufig auch teurer sind als konventionelle Ware, ebenfalls gute Export-Chancen?

Mit dieser Frage beschäftigt sich Rebecca Derstappen in ihrer Doktorarbeit, die sie derzeit an der Uni Göttingen schreibt. Die 28-Jährige, die in diesem Jahr den "Förderpreis der Fleischwirtschaft" in der Kategorie Wissenschaft erhalten hat, nimmt dabei vier Märkte genauer unter die Lupe: Polen und Italien sowie Japan und Südkorea. Ihre Doktorarbeit ist Teil eines Projekts des Thünen-Instituts in Braunschweig, in dessen Rahmen unter anderem auch die Export-Chancen von nachhaltig produziertem Geflügel untersucht werden.
Aufgewachsen ist Rebecca Derstappen im Westerwald. Während der Schulzeit absolvierte sie ein Auslandsjahr in Tucson/Arizona. „Das war eine tolle Erfahrung“, sagt sie. „Ein erster Schritt, um mich ein wenig abzunabeln.“ Nach dem Abitur am Gymnasium in Höhr-Grenzhausen ging sie zum Studium nach Bonn. Eine Zeit lang hatte sie überlegt, vielleicht Bauingenieurwesen zu studieren – „Mathe hat mir in der Schule immer viel Spaß gemacht“.

Dass sie sich dann doch für das Studium der Agrarwissenschaften entschied, hat durchaus auch mit familiärer Prägung zu tun, denn ihr Vater arbeitet ebenfalls in der Lebensmittelbranche.

Während des Studiums legte Derstappen ihren Schwerpunkt auf den Bereich Ökonomie. In ihrer Bachelorarbeit befasste sie sich mit dem Thema „Politikoptionen zur Verbesserung des Tierwohls in der deutschen Schweineproduktion und ihre Auswirkung auf die Wettbewerbsfähigkeit“. Schon damals galt ihr Interesse somit den Fragen nach dem Tierwohl und den Wettbewerbs-Chancen – den Themen also, die auch in ihrer Promotion eine große Rolle spielen.
„Tierwohl allein wird als Argument nicht reichen.“
Rebecca Derstappen

Nach dem Bachelor ging sie zum Masterstudium an die Uni Göttingen. „Die Hochschule hat einen sehr guten Ruf, und ich wollte auch im Masterstudium gern im Bereich Ökonomie in der Agrarwirtschaft bleiben.“

Bereits ihre Masterarbeit hat Derstappen in Zusammenarbeit mit dem Bundesforschungsinstitut Thünen geschrieben. Sie hat darin empirisch untersucht, welche Instrumente fleischerhandwerkliche Betriebe zur Kundenbindung einsetzen, und kam dabei auf interessante Ergebnisse: „Vielen Metzgern ist gar nicht bewusst, dass sie bereits zahlreiche Mittel zur Kundenbindung nutzen. Sie beschäftigen sich nicht so theoretisch mit dem Thema, sie machen es einfach.“

Dennoch hat sie auch Verbesserungs-Potenzial erkannt. „Häufig herrscht die Einstellung, dass alle Kunden gleich wichtig sind. Aus ökonomischer Sicht wäre es manchmal jedoch besser, sich um die Top-Kunden besonders intensiv zu bemühen.“ Auch bei der aktiven Kunden-Akquise hätten viele Betriebe noch Nachholbedarf.

Einblicke in die Politik bekam Rebecca Derstappen während eines Praktikums und anschließend als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Büro von Peter Bleser, zu dem Zeitpunkt Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium. Seit Sommer 2019 arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Thünen-Institut.
Mit der Promotion hat sie im April 2020 begonnen. Dass sie damit von Beginn an unter den besonderen Bedingungen infolge der Pandemie agieren musste, hat die Recherche nicht gerade erleichtert, räumt sie ein. Trotzdem konnte sie bereits viele interessante Erkenntnisse sammeln. Die Zielmärkte Polen und Italien hat sie selbst besucht, Reisen nach Japan und Korea waren bisher allerdings noch nicht möglich. Sobald die Lage es erlaubt, möchte sie aber auf jeden Fall nach Asien reisen und dafür auch das Preisgeld des Förderpreises der Fleischwirtschaft einsetzen.

Und wie groß sind denn nun die Export-Chancen von Tierwohl-Schweinefleisch aus Deutschland? Sie lacht. Allzu viel könne sie noch nicht verraten, sagt sie. Aber eins zeichne sich doch bereits deutlich ab: „Das Tierwohl als Argument wird in den meisten Fällen nicht reichen, um höhere Preise verlangen zu können. Wenn die Kunden in Polen, Italien, Japan und Korea überzeugt werden sollen, dann muss mit der höheren Qualität und dem besseren Geschmack des Fleischs argumentiert werden.“
Die Promotion will Derstappen spätestens im Frühjahr 2023 abschließen. Und dann? Möchte sie weiter forschen oder ihr Wissen lieber in der Praxis einsetzen? „Ich kann mir gut vorstellen, eine Stelle in der Wirtschaft anzunehmen. Aber auch eine wissenschaftliche Karriere wäre interessant. Ich bin da noch für alles offen. Auf jeden Fall möchte ich mich auch künftig mit dem Thema Tierwohl befassen.“

Die Beschäftigung mit Tieren liegt Rebecca Derstappen nicht nur beruflich am Herzen, auch im Privatleben spielen Vierbeiner eine große Rolle: Seit ihrer Kindheit ist sie leidenschaftliche Reiterin.

Förderpreis der Fleischwirtschaft 2021



Quelle: afz - allgemeine fleischer zeitung 4/2022

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