Ausblick 2020 Das wünscht sich die Branche

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Worauf hofft die Fleischwirtschaft 2020?
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Afrikanische Schweinepest DFV Digitalisierung Fachkräftemangel Trends
fleischwirtschaft.de — FRANKFURT Mehr Wertschätzung für Produkte und Personen, weniger Preiskämpfe und Bürokratie – das steht ganz oben auf der Wunschliste.
Wir haben Vertreterinnen und Vertreter der Fleischwirtschaft gefragt, was sie vom Jahr 2020 erwarten und welche neuen und alten Themen uns beschäftigen werden. Klar ist: Die Afrikanische Schweinepest (ASP) und ihre Folgen werden die Branche weiter in Atem halten. Und nicht jeder wird mit den anhaltend hohen Rohstoffpreisen zurecht kommen, das erzeugt Handlungsdruck. Lesen Sie nachfolgend die Erwartungen von zehn Branchenakteuren für das neue Jahr. Mit
- Herbert Dohrmann, DFV
- Jacqueline Balzer, IMV
- Ulrich Müller, LFW
- Andrea Franke, Fleischsommelière
- Tobias Blömer, Die Rostocker
- Nane Remagen, Hardy Remagen
- Klaus Martin Fischer, Ebner Stolz
- Katharina Koch, Fleischermeisterin
- Marcel Puttkammer, Puttkammer Gadebusch
- Günther Egeler, Metzgermeister
Zwischen Frust und Freude

Foto: DFV
Herbert Dohrmann, Fleischermeister und Präsident des Deutschen Fleischer-Verbands.
Vor allem wird spannend sein zu sehen, wie sich die Märkte für Vieh und Fleisch weiter entwickeln. Die im vergangenen Jahr extrem gestiegenen Preise waren eine große Herausforderung auch für das Fleischerhandwerk. Angesichts der vielen Unsicherheiten, man denke nur an die ASP, steht uns in dieser Hinsicht vielleicht ein weiteres lebhaftes Jahr bevor. Das ändert nichts daran, dass wir alle auf eine Normalisierung der Situation hoffen.
Abgesehen von diesen und anderen Widrigkeiten, die von außen auf uns einwirken, sehen wir durchaus auch optimistisch auf das kommende Jahr. Trotz mancher anderslautender Schlagzeile hat sich unser Handwerk zuletzt gut am Markt behauptet. Die Kunden kommen, die Umsätze sind aufs Ganze gesehen stabil bis leicht steigend. Es deutet vieles darauf hin, dass dieses große Vertrauen, das wir bei den Verbrauchern genießen, auch in der näheren Zukunft anhält.
Diese zwiespältige Situation ist nicht ganz einfach zu meistern. Einerseits haben wir allen Anlass, uns über den guten Zuspruch der Kunden zu freuen, andererseits trübt aber das ganze Drumherum den Spaß an der Arbeit deutlich ein. Wie bisher auch müssen wir dem mit einer Menge Kreativität und Anpassungsfähigkeit begegnen. Für unseren Verband beinhaltet das die Aufgabe, zusätzliche Belastungen so weit wie möglich fern zu halten. Langweilig wird uns in 2020 nicht werden, so viel steht fest.“
Garant für kleine Strukturen

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Jacqueline Balzer, Präsidentin des Internationalen Metzgermeister-Verbands (IMV).
Alle Mitgliedsverbände des IMV haben auch im November 2019 anlässlich ihrer Generalversammlung ihre starke Verbundenheit mit diesem beinahe 113 Jahre alten, einzigartigen internationalen Zusammenschluss des Fleischerhandwerks dokumentiert. Uns ist klar, dass die intensive, erfolgreiche Lobbyarbeit des IMV gegenüber den europäischen Institutionen mit Garant dafür ist, dass unsere kleinstrukturierten Handwerksbetriebe unser ehrwürdiges Metier auch weiter werden ausüben können.
Sicher, der Rückgang der Mitgliederzahlen bei den nationalen Organisationen des Fleischerhandwerks stellt natürlich auch die Finanzierung des IMV vor Herausforderungen. Dennoch sind wir uns einig, dass unsere Branchenvertretung in Brüssel von hohem Wert für die Zukunft unseres Gewerbes ist. Wir sehen es daher als unser aller Aufgabe an, alle Anstrengungen zu unternehmen, die notwendigen finanziellen Mittel aufzubringen, um unsere Interessenvertretung zu erhalten. Und auf diesen Weg haben sich die Mitgliedsverbände des IMV mit großen Ambitionen begeben.
Dabei werden auch neue Wege eingeschlagen, wie eine verbesserte Kommunikation ins Innere der nationalen Organisationen als auch nach außen zu ‚Partnern mit Herz für das Fleischerhandwerk‘. Ich blicke mit einer guten Portion Optimismus für den IMV ins Jahr 2020! Und weil ich Zitate liebe: Allein sind wir unsichtbar, gemeinsam unschlagbar!“
Neue Vertriebswege im Visier

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Ulrich Müller, Geschäftsführer der LFW in Ludwigslust.
Außerdem gilt es, aktuellen Trends gerecht zu werden und etwa bei der Salz- und Zuckerreduktion in den Rezepturen und bei der Entwicklung von innovativen Verpackungen weiter voranzukommen. Im Rahmen der letztjährigen Biofach haben wir eine umweltfreundlichere Flat-Skin-Verpackung vorgestellt, die etwa 75 Prozent weniger Kunststoff enthält. Diesen Weg wollen wir konsequent weiter gehen.
Auf der Biofach 2020 wird LFW dem Fachpublikum übrigens erstmals eine Fertiggerichte-Range in Bioqualität vorstellen. Die stellt ein Tochterunternehmen her. Außerdem präsentieren wir in Nürnberg unter unserer Marke Biolust die neuen Artikel Pulled Pork und Pulled Beef. Im klassischen Scheibenwaren-Sortiment wird es ebenfalls neue Produkte geben. Auch dieses Jahr wird LFW wieder zwei bis drei Millionen Euro in den Produktionsbetrieb investieren. Im Fokus stehen dabei neue Slicer- und Verpackungstechnik.“
Attraktivität zeigen und Nachwuchs sichern

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Andrea Franke, Fleischsommelière aus Weinböhla.
Es ist uns sehr wichtig zu zeigen, dass auch in einem so traditionellen Beruf die Zeit nicht stehen geblieben ist und die Digitalisierung und der Fortschritt Einzug gehalten haben. Gerade junge Interessenten gilt es anzusprechen und zu zeigen, wie außerordentlich kreativ man gerade im Fleischerhandwerk tätig sein kann. Wir wollen verdeutlichen, dass eine Tätigkeit im Fleischerhandwerk ein Garant für einen krisensicheren Arbeitsplatz darstellt, bei dem man mit dem entsprechenden Engagement und der dazugehörigen Disziplin langfristig seine berufliche Zukunft sicher gestalten kann.
Der Auszubildende von heute will sehen und er will gesehen werden!
Wir selber haben sehr viel Spaß an der Gestaltung von Beiträgen in Form von Bildern und Videos. Dabei beziehen wir vor allen Dingen unsere Azubis verstärkt mit ein, bevor wir sie dann online stellen. Unser Ziel ist es dabei, insbesondere der jungen Generation zu verdeutlichen, dass es gerade im Fleischerhandwerk auf eigene Ideen ankommt, um beruflich attraktiv zu sein.“
Nachhaltig wirtschaften und handeln

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Tobias Blömer, Geschäftsführer Die Rostocker Wurst- und Schinkenspezialitäten.
Unser Unternehmen muss zudem als Arbeitgeber noch attraktiver werden. Deshalb werden wir 2020 nach Absprache mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) das Angebot an Ausbildungsberufen erweitern. Junge Menschen können sich dann bei uns unter anderem auch zum Lebensmitteltechniker ausbilden lassen.
Wir haben uns außerdem vorgenommen das Aktionsgeschäft weiter voranzubringen. Im vergangenen Jahr konnten wir im Handel und bei den Verbrauchern bereits mit diversen Spanferkelbraten-Artikeln und Kalbswurst-Produkten punkten. Im Exportgeschäft wollen wir ebenfalls weiter vorankommen. Dabei haben wir vor allem die skandinavischen Märkte im Visier. Eines ist aber klar: 2020 wird für die Branche angesichts der stark gestiegenen Schweinepreise eine sehr große Herausforderung werden.“
Mehr Wertschätzung für die Arbeit

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Nane Remagen, Geschäftsführerin bei Hardy Remagen in Hürth.
Durch ein kontinuierliches Überprüfen unserer Arbeit eröffnen sich immer wieder Möglichkeiten und Chancen, die Arbeit effizienter und besser zu gestalten.
Gemeinsam sind wir stark! Man sollte dieses wahnsinnige Konkurrenzdenken unter Kollegen bei Seite legen und mal wieder daran denken, dass wir alle das gleiche Schicksal erleiden – Preisdruck, Fachkräftemangel und schlechte Lobbyarbeit. Nur durch ein gemeinsames Vorgehen wird es möglich sein, diese schwere Zeit zu überstehen und gestärkt in die Zukunft zu schauen.
Durch eine zunehmende Automatisierung von Prozessen in der Produktion werden wir uns auch 2020 weiter dem Thema annähern müssen. Dies geschieht in verschiedenster Form: beispielsweise durch den Einsatz von Verpackungsrobotern und automatisierten Mischungsmaschinen.
Durch die verschiedenen Essensgewohnheiten – vor allem im vegetarischen und veganen Bereich heutzutage – werden wir sehr stark an neuen Märkten arbeiten müssen. Dazu gehören insbesondere küchenfertige Gerichte beziehungsweise Convenience-Artikel aller Art. Auch hier wollen wir uns breiter aufstellen in der Zukunft.
Unser großes Ziel 2020 ist der Einzug in unsere neue Frikadellen-Produktion, die uns weitere Möglichkeiten und Kapazitäten bieten wird. Wir wünschen uns für das neue Jahr mehr Wertschätzung für unsere Arbeit. Dazu zählt insbesondere, dass bei den Verbrauchern anstatt des Preises mehr die Qualität der Produkte im Vordergrund steht.“
Weiter so wie bisher geht nicht

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Klaus Martin Fischer, Ebner Stolz Management Consultants.
Bei diesem Gegenwind werden in 2020 eine ganze Reihe von Herstellern umfallen. Die Konsolidierung der Branche wird weiter an Fahrt gewinnen. Daran würde auch ein Ausbruch der ASP auf dem Bundesgebiet beziehungsweise jedes damit einhergehende Rechenspiel mit Wahrscheinlichkeiten mittel- und langfristig nichts ändern. Aber: Tritt dieser Fall ein, droht noch ein ganz anderes, wirtschaftlich katastrophales Szenario.
Alle Unternehmen sind jetzt gefordert, ihre Zukunft zu schreiben: alleine weiter machen, mit anderen zusammengehen oder verkaufen. In jedem Fall muss alle Kraft klar auf nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit gelegt werden, konkret auf die Themen Preise, Rezepturen, Kosten und ertragreiche Differenzierung. Sämtliche Prozesse, Strukturen und Systeme gehören auf den Prüfstand. Ebenso das Thema Rohstoffsicherung, alleine oder aus einer Einkaufsallianz heraus. Ein ‚Weiter so wie bisher‘ geht nicht. Aus diesem Handlungsdruck ergeben sich wiederum Chancen. Entscheidungen dürfen jetzt nicht zu lange hinausgezögert werden, möchte man das Zepter des Handelns selbst in der Hand behalten.“
Viel mehr Licht als Schatten

Foto: Alexander Ulrich Paul Sobotta
Katharina Koch, Fleischermeisterin aus Calden.
Die ehrliche Begeisterung unserer Kunden ist überdies ein wichtiges Gegenmittel gegen den Bürokratismus, der oft mit einem Schuss Generalverdacht gewürzt zu sein scheint. Dieser wäre für uns handwerkliche Lebensmittelhersteller schwer zu ertragen, wenn uns unsere Kunden nicht tagtäglich zeigen würden, wie sehr sie unsere Produkte schätzen und diese trotz aufgeregter zeitgeistgetriebener Debatten mit großer Freude genießen. Trotzdem wird der Umgang mit bürokratischen Zumutungen sicherlich auch 2020 eine Menge Geld, Zeit und Energie kosten, die ich woanders besser investiert fände.
Weiter bleiben die Bereiche Ausbildung und Fachpersonal spannend. Wir haben vielversprechenden Berufsnachwuchs, für den ich mir gerne Zeit nehme. Ihre berufliche Weiterentwicklung erfüllt nicht nur mich mit Stolz, sondern auch meine erfahrenen Mitarbeiter, denn sie haben im Zweifel einen noch größeren Anteil am Erfolg unserer Azubis. Diesen Teamgeist werde ich auch 2020 pflegen und Anreize für die individuelle Entwicklung aller unserer Mitarbeiter setzen. So wollen und werden wir uns auch 2020 weiter verbessern, bei der Qualität unserer Dienstleistungen, im Laden und online, aber auch in internen Abläufen, damit wir uns stärker den Aufgaben widmen können, die für uns und unsere Kunden wirklich wichtig sind.“
Suppen ergänzen Aspik-Profi

Foto: Puttkammer
Marcel Puttkammer, Produktionsleiter bei Puttkammer Fleischwaren in Gadebusch.
2020 wollen wir das Geschäft mit neuen Produkten weiter voranbringen und setzen dabei verstärkt auf Regionalität. Das Aktionsgeschäft möchten wir ebenfalls ausbauen. Außerdem werden wir in diesem Jahr unsere Außendienst-Aktivitäten verstärken. Das Thema Nachhaltigkeit steht bei Puttkammer ebenfalls weit oben auf der Agenda. Wir befinden uns unter anderem mit Folien- und Darmherstellern in intensiven Gesprächen über Kunststoff-Alternativen.“
Die Mitarbeiter hegen und pflegen

Foto: Egeler
Günther Egeler, Fleischermeister aus Ammerbuch.
Beim Thema Tierwohl müssen wir Fleischer die Vorreiterrolle anstreben. Sonst werden wir von denjenigen überrollt, die es sich unberechtigt auf die Fahnen schreiben. Eigentlich wollten wir 2020 in die Elektromobilität investieren. Doch da gibt‘s noch Probleme: Wenn wir in unsere vier Ford-Transit eine Kühlung einbauen wollen, behaupten die Autohersteller, dass es in unserem hügeligen Gebiet von der Leistung her nicht realisierbar ist. Im vergangenen Jahr haben wir für unsere Mitarbeiter Jobräder angeboten. Diese Aktion wird 2020 fortgeführt – ebenso unsere Grillseminare, die bei den Kunden prima ankommen.
Auch die Fortbildung wird ein Schwerpunkt sein: Mein Sohn Martin wird sich zum Wurst- und Schinkensommelier weiterbilden, drei Mitarbeiter werden Seminare von Gewürzfirmen besuchen. Und: Wir müssen intensiver aufklären, damit Fleisch aus der Sündenbockrolle herauskommt. Das Rindvieh ist in den Medien und in der Meinung der Bevölkerung immer der Buhmann. Dabei sind 60 Prozent unserer Anbaufläche Wiesen und Hänge, auf denen kein Ackerbau möglich ist. Die Öffentlichkeit sollte wissen: Wiederkäuer wie Rinder, Ziegen oder Schafe stellen aus Gras Energie in Form von Milch und Fleisch her. Der Mensch verursacht viel mehr CO2. Auch der Wasserverbrauch für die Fleischproduktion ist geringer als dargestellt. Wir kommen mit unserer eigenen Herde auf nicht mal 100 Liter Wasser pro kg Rindfleisch.“